Gesetzesänderung

11.11.2021

Pflichten aus Internationalen Übereinkommen zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Am 1. Januar 2023 tritt das lange Zeit umstrittene Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) in Kraft. Mit dem Gesetz werden Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten festlegt. Ziel des Gesetzes ist es, die internationale Menschenrechtslage zu verbessern. Das Gesetz ist anzuwenden auf Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform, die in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer.

Aus den Begriffsbestimmungen in § 2 ergibt sich, welche Rechtsgüter durch die neuen Sorgfaltspflichten geschützt werden. Es handelt sich dabei um menschenrechtliche und umweltbezogene Schutzpflichten, die sich insbesondere aus 13 im Gesetz ausdrücklich aufgeführten internationalen Übereinkommen ergeben (siehe Anlage 2). Die Übereinkommen haben wir im Volltext in das Managementsystem „Recht im Betrieb“ aufgenommen. Wir haben 141 Sorgfaltspflichten aus den Übereinkommen herausgefiltert.

Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, dafür zu sorgen, dass ihre Lieferanten Menschenrechte im Rahmen ihrer Lieferbeziehung nicht verletzen und die Umwelt schätzen, in dem sie den Einfluss als Endabnehmer in der Lieferkette geltend machen, der ihnen auf Grund ihrer Nachfragemacht zur Verfügung steht und den sie durchsetzen können. Diese Rechtslage gleicht der Pflicht zur Organisation legalen Verhaltens im Unternehmen. Die Erfüllung dieser Legalitätspflicht ist zu organisieren, indem Vorstände und Geschäftsführer sich selbst legal verhalten und vor allem dafür sorgen, dass ihre Angestellten sich ebenfalls legal verhalten und die an sie delegierten Unternehmenspflichten einhalten. Diese typische Compliance-Situation, die mit dem Compliance-Management-System „Recht im Betrieb“ in der Unternehmenspraxis organisatorisch bewältigt wird, gleicht der Pflichtenlage des Lieferkettengesetzes, nur mit dem Unterschied, dass Vorstände und Geschäftsführer ihre Einflussmöglichkeit nicht gegenüber den eigenen Angestellten, sondern gegenüber ihren Lieferanten durchsetzen müssen. Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zur Legalitätspflicht in der Kette ihrer Lieferanten, die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Pflichten zum Schutz von Menschen und Umwelt zu organisieren.

Die Unternehmen sind verpflichtet, sich zu bemühen. Sie sind nicht zum Erfolg verpflichtet.

Drei Arten von Sanktionen sind bei Pflichtverletzungen zu erwarten. Der Gesetzgeber reguliert die Durchsetzung der Sorgfaltspflichten aus dem Lieferkettengesetz, erstens durch das Wirtschaftsverwaltungsrecht, zweitens durch das Ordnungswidrigkeitenrecht und drittens durch die zivilrechtliche Haftung. Zuständig zur Kontrolle ist nach § 19 LKSG das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BMEAS). Die Rechts- und Fachaufsicht über dieses Bundesamt führt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Angedroht werden Zwangsgelder nach § 23 LKSG bis zu 50.000,00 EUR, nach § 24 LKSG bis zu 12 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes, deren Höhe davon abhängt, gegen welche Sorgfaltspflicht jeweils verstoßen wurde.

Die zivilrechtliche Haftung bei Verletzung von Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettengesetz ist zwar geregelt aber umstritten. Viele Aufsätze in der Literatur beschäftigen sich mit § 3 Abs. 3 LSKG. Im Satz 1 regelt das Gesetz, dass eine Verletzung der Pflichten aus dem Lieferkettengesetz keine zivilrechtliche Haftung begründet. Im Satz 2 regelt es, dass eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung unberührt bleibt.

Ich arbeite derzeit an einer umfassenden Stellungnahme, weil allgemein in der Industrie das Lieferkettengesetz mit Recht als großes Haftungsrisiko für Vorstände und Geschäftsführer verstanden wird. Unabhängig vom Lieferkettengesetz gelten die Organisationspflichten die sich aus §§ 4,5 und 6 ergeben, wonach das Unternehmen die einzuhaltenden Pflichten aus 12 ausgelisteten Konventionen aus § 2 ermitteln, delegieren, erfüllen, kontrollieren und dokumentieren muss. Diese Organisationspflichten gelten unabhängig vom Lieferkettengesetz. Bei Verletzungen der Organisationspflichten haften Vorstände und Geschäftsführer ihrer Gesellschaft gegenüber, wenn es zu Schäden kommt. Die Organaußenhaftung ist umstritten. Aus BGH-Entscheidungen entnimmt die Literatur eine Organaußenhaftung. Die Organisationspflichten werden als Verkehrssicherungspflichten dogmatisch eingeordnet. Ihre Geltung wird mit den Grundsätzen der Gefährdungshaftung begründet, wonach derjenige für Risikoquellen haftet, der sie verursacht, unterhält, beherrschen kann und davon profitiert. Die Lieferkette ist die Risikoquelle, die Unternehmen durch Vertragsabschlüsse beeinflussen können, in dem sie vertraglich die Einhaltung der Menschenrechte und der umweltschützenden Vorschriften durchsetzen. Schließlich profitieren Endabnehmer vom Kostengefälle bei der Produktion in der Lieferkette. Von größter Bedeutung wird die Frage sein, wie sich Vorstände und Geschäftsführer vom Vorwurf des Organisationsverschuldens in der Lieferkette entlasten können. Die von uns vorgeschlagene Lösung besteht in der Transparenz durch den digitalen Zwilling, in dem die Lieferkette digital einschließlich aller rechtlichen Vorgaben abgebildet werden. Sobald mein Beitrag unter dem Thema Lieferketten-Compliance im digitalen Zwilling für die Unternehmenspraxis „fertiggestellt ist“, werde ich darauf zurückkommen.

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