Compliance in verbundenen deutschen Unternehmen mit ausländischen Konzernmuttergesellschaften
Deutsche Unternehmen beziehen sich in Compliance Fragen häufig auf Weisungen und Wünsche ausländischer Unternehmenszentralen. Angestrebt werde eine Harmonisierung der Compliance Organisation für alle verbundenen Unternehmen, ist das immer wiederkehrende Argument. Es stellt sich die Frage, ob die deutschen Vorstände und Geschäftsführer sich von ihrer Verantwortung für Compliance im deutschen Unternehmen mit Verweisen aus ihrer Unternehmenszentrale entlasten können. Im Ergebnis gibt es keine Entlastung im Konzern nur mit der Ausnahme, dass die Pflichten der deutschen Konzernunternehmen im Rahmen einer Außendelegation auf die Konzernmuttergesellschaft oder auf eine andere Konzerngesellschaft ausdrücklich delegiert wurden.
Die gesellschaftsrechtliche Beziehung verbundener Unternehmen
Grundsätzlich gilt nach § 15 AktG, dass verbundene Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen sind. Dazu zählen auch die Konzernunternehmen nach § 18 AktG, abhängige und herrschende Unternehmen nach § 17 AktG, die im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen nach § 16 AktG. Diese Prinzip der Selbstständigkeit steht im Gegensatz zu Anschauungen des Alltags (Schall, in Spindler/Stilz, AktG, Vor.§ 15 AktG Anm.7 3.Aufl.). Die Verweise auf die Konzernmutter im Ausland und deren Vorgaben zu Compliance Management Systemen für deutsche Konzerngesellschaften mit dem Grund der Harmonisierung belegen, dass die grundsätzliche Selbstständigkeit und eigene Compliance Verantwortung der deutschen Geschäftsleiter verkannt wird. Ein Konzern oder eine Unternehmensgruppe ist selbst kein Rechtssubjekt, kann weder Anlagenbetreiber noch Adressat von verwaltungsrechtlichen Maßnahmen sein. Nur das einzelne verbundene Unternehmen kann Träger von Rechten und Pflichten sein und verantwortet das Compliance Management (Für das Umweltrecht ausdrücklich Karsten Schmidt, Haftungsrisiken für Umweltschutz und technische Sicherheit, S.87.). Schlimmstenfalls stehen die Vorstände der deutschen Konzerngesellschaften vor deutschen Gerichten und nicht ihre Konzernleiter.
Die Selbstständigkeit von verbundenen Unternehmen
Jede Konzerngesellschaft bleibt für sich Träger von Rechten und Pflichten. Die Konzernzugehörigkeit ist kein Grund für wechselseitige Zurechnung von Haftungen und Pflichten unter den einzelnen Konzerngliedern. Es gibt keine konzernrechtliche „Sippenhaft“. Das deutsche Konzernrecht ist durchgriffsfeindlich. Die rechtliche Selbstständigkeit von verbundenen Unternehmen dient der Rechtssicherheit. Jeder soll wissen, wer der Träger von Rechten und Pflichten ist (Karsten Schmidt, Haftungsrisiken für Umweltschutz und technische Sicherheit, S.80; Oehler, Produkthaftung im Konzern, ZIPP 1990, 1445 ff.). In seinem Asbesturteil hat der BGH das Prinzip der Selbstständigkeit von verbundenen Unternehmen entschieden. Eine Vertriebsgesellschaft, die mit dem Hersteller konzernmäßig durch gemeinsame Leitung und kapitalmäßig eng verflochten ist, haftet nicht wie der Hersteller selbst. Eine Haftung einer Vertriebsgesellschaft lässt sich nicht mit der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die die Produzentenhaftung auslöst, begründen. Eine Vertriebsgesellschaft haftet nur, wenn Personen, für die sie deliktsrechtlich einzustehen hat, Verkehrssicherungspflichten oder Organisationspflichten verletzt haben. Der BGH nennt in seiner Asbestentscheidung aber auch das Haftungsrisiko bei verbundenen Unternehmen, wenn nämlich Mitglieder der Geschäftsleitung in den verbundenen Unternehmen, dem Hersteller und dem Vertrieb, tätig sind und deshalb Produktschwächen kannten (BGH, vom 5.5.1981, VI ZR 280/79, NJW 1981,2250 – Asbesturteil-).
Für die Organisation verbundener Unternehmen ergibt sich aus dem Asbesturteil die dringende Empfehlung, um die Haftung zu vermeiden nicht die gleichen Geschäftsleiter in mehrere verbundene Unternehmen einzusetzen. Obwohl die Besetzung mit den gleichen Führungskräften in der Praxis häufig vorkommt, ist vor Personenidentität der Geschäftsleiter in verbundenen Unternehmen zu warnen.
Auch eine konzernweite Betriebsorganisation könnte eine Konzernhaftung begründen, insbesondere dann, wenn die Rechtspflichten der Einzelgesellschaften auf die Zentralabteilung zur Erfüllung, zur Beratung und zur Kontrolle übertragen werden. Dann würde es sich um eine Außendelegation handeln. Diese Lösung hat allerdings seine Grenzen, wenn die Konzernleitung im Ausland sitzt und mit deutschen Recht nicht vertraut ist.
Der Beitrag wird fortgesetzt und als Aufsatz veröffentlicht werden.