Die Bestandsaufnahme über die Pflichtenlage bei einem Geschäftsführerwechsel
Regelmäßig kommt es zu einem Wechsel in der Geschäftsleitung eines Unternehmens. Wir empfehlen dem Geschäftsführer, der einen neuen Verantwortungsbereich in seinem neuen Unternehmen übernimmt, eine Bestandsaufnahme machen zu lassen, ob alle Rechtspflichten von seinem Vorgänger erfüllt wurden oder ob es nicht erfüllte Pflichten im Unternehmen gibt. Unterlässt er diese Bestandsaufnahme und wird später ein Rechtsverstoß entdeckt, der von seinem Vorgänger nicht vermieden wurde, fällt dieser Verstoß in seine neu übernommene Verantwortung, von der er sich nicht mit dem Hinweis auf seinen Vorgänger entlasten kann.
Je länger er in dem neuen Unternehmen die Verantwortung als Geschäftsführer trägt, umso mehr steigt das Risiko des Vorwurfs illegalen Verhaltens. Gleichzeitig nimmt die Bereitschaft ab, zu untersuchen, ob alle Pflichten des Unternehmens eingehalten sind, weil das Risiko wächst, einen Rechtsverstoß zu entdecken und sich dadurch möglicherweise selbst mit dem Vorwurf belasten zu müssen, diesen Verstoß nicht entdeckt und vermieden zu haben, während er die Verantwortung hatte. Der Geschäftsführer hat die Legalitätspflicht. Er ist verpflichtet, sich selbst legal zu verhalten und dafür zu sorgen, dass auch alle Angestellten die Rechtspflichten des Unternehmens einhalten. Er hat die Garantenstellung kraft Organisationsherrschaft. Nur er ist berechtigt und verpflichtet, ein Compliance Management anzuordnen und einzusetzen.
Dazu habe ich in meinem neuen Aufsatz „Die unklare Rechtslage zur Unternehmensführung als Risiko von Geschäftsleitern“ Teil 2 Seite 4 mit Hinweisen, Stellung genommen. Sie finden den dreiteiligen Aufsatz im Downloadbereich auf unserer Internetseite www.rack-rechtsanwälte.de/seiten/downloads. Die Garantenstellung kraft Organisationsherrschaft begründet das Strafbarkeitsrisiko für Geschäftsführer durch Unterlassen eines Compliance-Management-Systems. Die Rechtsprechung argumentiert in vier bekannten Fällen inzwischen bei Rechtsverstößen in Unternehmen, dass ein Compliance-System den Rechtsverstoß verhindert hätte, wenn es nur eingesetzt und nicht unterlassen worden wäre.
Eine konfliktfreie Bestandsaufnahme ist vor jedem Führungswechsel möglich. Am Anfang seiner Amtsübernahme kann jeder Geschäftsführer prüfen lassen, ob alle einschlägigen Vorschriften im Unternehmen eingehalten sind, und zwar völlig frei von der Sorge, sich selbst mit dem Vorwurf belasten zu müssen, einen Rechtsverstoß geduldet, übersehen oder jedenfalls nicht präventiv rechtzeitig vermieden zu haben. Langjährige Geschäftsführer hingegen zögern erfahrungsgemäß mit der Bestandsaufnahme, ob ihr Unternehmen rechtskonform organisiert ist, je länger sie im Amt sind.