Anwaltszwang bei Complianceberatung
Complianceberatung zur Einhaltung der Legalitätspflicht im Unternehmen ist als außergerichtliche Rechtsdienstleistung i.S.v. §§ 1, 2 RDG zu verstehen, nach § 3 RDG grundsätzlich verboten und nach § 5 RDG allenfalls als Nebenleistung von Testamentsvollstreckern, Hausverwaltern und schließlich nach § 3 BRAO nur Rechtsanwälten erlaubt. Verboten ist insbesondere das sog. „Erfüllungsgehilfen-Modell“, wonach außergerichtliche Rechtsdienstleistung nicht durch Rechtsanwälte erbracht werden kann, wenn sie von Nicht-Anwälten, insbesondere von Unternehmen angestellt oder als Erfüllungsgehilfen zur Rechtsberatung eingesetzt werden.
Das Verbot ist eindeutig, weil der Gesetzgeber es zunächst im Entwurf unter § 5 Abs. 3 RDG-E vorgesehen, aber kurz vor der Entscheidung im Parlament ersatzlos gestrichen hat. Die Beratungspraxis verkennt diese Rechtslage, wenn sie glaubt, Beraterverträge mit Nichtanwälten durch den Einsatz von Rechtsanwälten heilen zu können. Das Verbot gilt insbesondere auch für Dienstleister von Legal-Tech-Lösungen, die als günstigerer Anwaltsersatz angeboten werden. Verträge über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zur rechtlichen Prüfung von konkreten Einzelfällen durch Nichtanwälte sind wettbewerbswidrig, begründen Unterlassungsansprüche, die von Rechtsanwälten selbst oder von deren zuständigen Rechtsanwaltskammern gerichtlich durchgesetzt werden können.
Die Rechtslage wird zuletzt bestätigt durch das Urteil des Landgerichts Köln vom 08.10.2019, Az. 33 O 35/19 und dem BGH vom 30.07.2019 – VI ZR 486/18. Der Anwaltszwang nach § 3 RDG i.V.m § 3 BRAO bei außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen rechtfertigt sich durch die besonderen Schwierigkeiten der außergerichtlichen im Gegensatz zur gerichtlichen Rechtsberatung, die darin bestehen, dass nur vor der Beratung der Mandant davon überzeugt werden muss, dass die rechtliche Prüfung auch ohne besonderen Anlass rein vorsorglich und präventiv zur Abwehr von nicht erkennbaren, sondern nur denkbaren Risiken „erforderlich“ im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG ist. Nur Rechtsanwälte sind durch Ausbildung und Erfahrung in der Lage, wie Entscheidungen im Unternehmen bei Rechtsverstößen mit Schadensfolgen von Richtern, Staatsanwälten, Gegenanwälten und Amtsjuristen rechtlich beurteilt werden, weil alle Beteiligten durch die gleiche Ausbildung und Examen befähigt sind, was nicht anwaltliche Dienstleister auch durch Legal-Tech-Instrumente nicht ausgleichen können.
Vorstände und Geschäftsführer, die außergerichtliche Rechtsdienstleistungen durch nichtanwaltliche Dienstleister erbringen lassen, riskieren Regressansprüche ihrer Gesellschaft wegen Auswahlverschuldens gegen sich persönlich, wenn es zu Beratungsfehlern mit Schadensfolgen kommen sollte, zu der Deckung keine anwaltlich Berufshaftpflichtversicherung zur Verfügung steht.