Gesetzesänderung

07.05.2020

Entwurf für ein Verbandssanktionengesetz –Compliance-Vorkehrungen können zu milderen Strafen verhelfen

Brief an die Nutzer u. Interessenten von "Recht im Betrieb"

Vergangene Woche hat das Bundesjustizministerium offiziell den Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ vorgelegt. Kernstück dieses Gesetzes ist das geplante neue „Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten - Verbandssanktionengesetz (VerSanG).

Der Entwurf muss vor allem Unternehmensjuristen, Compliance-Beauftragte und alle Stäbe, die Regelwerksverfolgung als Aufgabe haben, interessieren, weil sie mit Sicherheit unternehmensintern dazu befragt werden. Mit dem Gesetzentwurf werden die Sanktionen für Compliance-Verstöße drastisch verschärft.

Während bisher die Verfolgung von Straftaten und Rechtsverstößen im Ermessen der Behörden nach § 30 Abs. 1 OWiG und § 47 Abs. 1 OWiG lagen, gilt in Zukunft Verfolgungszwang. Statt des Opportunitätsprinzips gilt das Legalitätsprinzip. Nach § 3 VerSanG sind Verbandssanktionen gegen einen Verband zu verhängen, ohne dass Opportunitätserwägungen, wie Personalmangel oder aufwendige Ermittlungen den Verzicht oder Abbruch der Verfolgung erlauben. Mit dem Verfolgungszwang bei Verbandsstraftaten soll sichergestellt werden, dass das geltende Recht gleichmäßig und regelmäßig zur Anwendung kommt. Verhindert werden sollen die Anwendungsdefizite und nicht hinnehmbare Ungleichbehandlungen durch eine uneinheitliche Verfolgungspraxis, die nach der bisherigen Rechtslage auf die Geltung des Opportunitätsprinzip zurückzuführen sind.

Um das hundertfache wurden die Verbandsgeldsanktionen für Compliance-Verstöße erhöht. Nach § 9 VerSanG betragen sie bei einem Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen bei vorsätzlichen Verbandstaten 10 % des durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatzes der letzten drei Geschäftsjahre, bei Fahrlässigkeit 5 %. Bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von weniger als 100 Millionen beträgt die vorsätzliche Verbandssanktion mindestens 1.000 EUR und höchstens 10 Millionen bei Vorsatz und bei Fahrlässigkeit mindestens 500,00 EUR und höchstens 5 Millionen Euro. Vorausetzung für die Verbandssanktion ist die pflichtwidrige Verbandstat, ohne dass es auf ein Verschulden auf Fahrlässigkeit oder Vorsatz ankommt. Es gilt eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung. Die Schwelle für Sanktionierungen werden damit erheblich gesenkt.

Innerhalb von Unternehmensgruppen gilt die Ausfallhaftung für Unternehmen, die nach der Einleitung des Sanktionsverfahrens erlöschen
oder vermögenslos geworden sind und mit anderen Verbänden eine wirtschaftliche Einheit gebildet hatten und auf diese einen bestimmten Einfluss gehabt haben.

Verbandstaten im Ausland, für die derzeit kein Sanktionsrisiko besteht, werden Verbandsstraftaten im Inland nach § 2 Abs. 2 VerSanG gleichgestellt.

Trotz einer Verbandstat kann der Einsatz eines Compliance-Management-Systems sanktionsmildernd berücksichtigt werden. Prämiert wird schon das bloße Bemühen, präventiver Compliance-Maßnahmen. Neu geschaffen ist eine Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 VerSanG. Auch dadurch sollen Anreize zur Einführung von Compliance-Maßnahmen begründet werden. Ein Gericht kann den Verband verwarnen und sich eine Verbandsgeldsanktion vorbehalten, wenn zu erwarten ist, dass die Verwarnung ausreicht, um Verbandstaten in Zukunft zu verhindern, wenn zum Beispiel ComplianceMaßnahmen als besondere Umstände eine bloße Verwarnung rechtfertigen. Eingeführt wird nach § 7 VerSanG eine Ausfallhaftung eines Unternehmensverbunds, wenn in Konzernunternehmen Verbandstaten begangen werden und der jeweilige Verband erlischt oder insolvent wird. Auch im Gesamtkonzern müssen deshalb zur Vermeidung einer Ausfallhaftung gleiche Compliance-Anstrengungen unternommen werden. Sie begründen die Aussicht, dass auch in Zukunft Verbandstaten vermieden werden. Der Referentenentwurf begründet die Chancen der Sanktionsmilderungen nach § 15 Abs. 3 Nr. 6 u. 7 damit, Anreize für den Einsatz von Compliance-Management-Systemen schaffen zu wollen.

Durch die verschärften Sanktionen nach dem Verbandssanktionengesetz wird ein Compliance-Management-System wichtiger als unter der früheren Rechtslage. Compliance erhält einen Preis, nämlich im schlimmsten Fall 10 % des Jahresdurchschnittsumsatzes. Alle Entscheidungen zu Compliance-Maßnahmem sind Chefsache und Leitungsaufgabe. Hierfür liefert das Verbandssanktionengesetz einen weiteren Grund, Compliance-Maßnahmen den von der Haftung bedrohten Organe vorzubehalten.

Bis zum 12. Juni 2020 können Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf gegenüber dem Bundesjustizministerium abgegeben werden.

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